Montag, 6. August 2007

Der Typ vom Balkon untendrunter

"Manchmal treffe ich Harras auf der Treppe, er muß es immer außerordentlich eilig haben, er huscht förmlich an mir vorbei. Genau gesehen habe ich ihn noch gar nicht, den Büroschlüssel hat er schon vorbereitet in der Hand. Im Augenblick hat er die Tür geöffnet. Wie der Schwanz einer Ratte ist er hineingeglitten und ich stehe wieder vor der Tafel 'Harras, Bureau', die ich schon viel öfter gelesen habe, als sie es verdient."


Beim gestrigen Lesen dieser Zeilen aus Franz Kafkas Kurzgeschichte "Der Nachbar", fiel mir sofort der "Typ" ein, der seit letztem Herbst in der Erdgeschosswohnung unseres Hauses wohnt. Er scheint, genauso wie Harras, nie Zeit zu haben und ständig auf der Flucht zu sein. Kaum ist er mit dem Rad in den Hof gerast, hat er sich auch schon umgezogen und rauscht mit seinem Auto davon.
Da er es immer so eilig hat, bekommt er auch selten die Zähne auseinander, um irgendwie zu reagieren, wenn man ihn mit einem "Hallo" begrüßt. Meistens ist es mit einem kurzen Nicken für ihn getan.
Letzte Woche rief er an (!), um uns mitzuteilen, dass sein Fernsehempfang gestört sei. Er meldete sich mit den Worten: "Hallo hier ist XXX, ich wohne unter euch."
Zum Glück hat er mir das gesagt, ich dachte bis zu dem Tag, dass die Wohnung leer ist und dass bei uns Geister wohnen. Zum Abschluss des Gespräches gab er mir noch die Empfehlung, dass wir doch die Sat-Schüssel festschrauben sollten, so hätte er es früher auch gemacht. Ich habe ihm, dann nicht gesagt, dass unser Haussklave schon bestraft wurde, weil er seinen Arm nicht gerade gehalten hatte ;)

XXX ist Polizist, das merkt man an seinem Argumentationsstil - wobei, er lässt ja keine Gegenargumente zu - also man merkt es an seinem rechthaberischen Gerede.
Als vor ein paar Wochen Sperrmüll war, fragte er mich, ob ich das Hoftor offen lassen kann, er müsste noch mal weg. Ich sagte ihm, dass das kein Problem wäre, wir aber an Sperrmülltagen das Tor geschlossen halten, da es schon des Öfteren vorgekommen sei, dass tschechische Freunde in unserem Hof standen.
Etwas Vernünftiges konnte oder wollte er dem nicht entgegensetzen, also glitt er in die Absurdität. Er meinte, wenn sie rein wollten, würden sie durch das kleine Fußgängertor gehen. Wer sich bei uns auskennt, weiß, dass dies nicht so einfach ist und man das Tor nicht leise öffnen kann. Beim Kurs "Diebstahlprävention" in der Polizeischule war er sicher pinkeln, ansonsten wäre ihm vielleicht eingefallen, dass ein geschlossenes Tor abschreckender ist, als ein geöffnetes Tor.
Da aber nur sein(!) Fahrrad immer unangeschlossen im Hof steht, war mir eine Fortsetzung der Diskussion zu wider und ich fuhr weg. Er hatte, wie fast immer, das letzte Wort und ich meine Ruhe.

p.s. Ich wünsche keinem von euch, ihm im Dienst zu begegnen, denn Diskussionen sind zwecklos, er hat immer Recht, wie wahrscheinlich 80% aller Polizeibeamten.


Keine Kommentare: