Mittwoch, 8. August 2007

Es war einmal, eine schöne Stadt

Chemnitzer mögen es nicht mehr hören, doch sie können zu Recht stolz auf ihre neue Innenstadt sein. Am 5. März 1945 wurde bei einem britisch-amerikanischen Bombenangriff beinahe die komplette Innenstadt zerstört. In der DDR legte man keinen großen Wert auf den Erhalt historischer Gebäude. Der Aufbau des Sozialismus war das Staatsziel, dem sich alles andere, nach dem Krieg, unterzuordnen hatte. Für die Chemnitzer bedeutete dies, dass ihre einst schöne Innenstadt sozialistischer Tristesse weichen musste. Es entstanden hässliche Betonklötze und breite Straßen zum Aufmarschieren. Zum Glück wurden diese Fehler nach der Wende behoben und Chemnitz kann zu Recht von sich behaupten, dass es wieder ein Herz hat. Ein Beispiel für den neuen Weg ist das Tietz, was deutschlandweit einmalig ist.

Weltweit einmalig, ist die Zerstörungswut, der weißrussischen Behörden. Im Gegensatz zu Chemnitz hat, die im Dreiländereck zwischen Polen, Litauen und Weißrussland liegende, Stadt Hrodna den Zweiten Weltkrieg relativ unbeschadet überstanden. Die Innenstadt wurde nicht zerstört.

Geprägt durch das litauische Fürstentum, den russischen Zarismus und das polnische Königtum, entwickelte sich eine einmalige Innenstadt, die als Schlüssel zur weißrussischen Geschichte gilt. Nicht umsonst gilt der Bezirk Hrodna als Hochburg der national-konservativen Opposition in Weißrussland (Abseits der Formalia gilt Weißrussland für die EU und die USA als momentan einzige Diktatur Europas, in der massive Menschenrechtsverletzungen stattfinden.)

Folgendes Zitat beschreibt nicht den Umgang mit der Opposition, sondern soll den "Stadtumbau" rechtfertigen.

Die Ausländer werden merken, dass sich das Klima der Stadt verändert hat. Hrodna hat sich gewandelt, es gibt nun ordentliche Fassaden, Dächer, die Stadt ist sauberer[sic] geworden.


Diese Aussage stammt vom Chefarchitekten Hrodnas. Er verteidigt damit die Zerstörung von Baudenkmälern aus 900 Jahren Stadtgeschichte. Sie müssen weichen, damit Straßen verbreitert werden können oder auch damit Investoren attraktive Grundstücke, in bester Lage, gewinnen können, um graue Konsumtempel zu errichten.

Es gibt auch Häuser, die nicht zerstört werden, sie werden auf eine besondere Art und Weise verschlimmbessert. Lachsrosa oder mintgrün leuchten die Fassaden. die im Original so nie aussahen. Auch die Form der Wände hat dem früheren Erscheinungsbild wenig zu tun. Zur Krönung werden billige Pflastersteine verlegt und skurrile Laternen errichtet. Offiziell, will sich Weißrussland mit dieser Aktion für den Tourismus öffnen und die Stadt attraktiver machen. Präsident Lukaschenko weiß wohl noch nicht, dass niemand mehr auf sozialistische Architektur der 50er Jahre steht.
Historikern wird der Zugang zu den Gebäuden verwehrt und somit wird man in ein paar Jahren nur noch erahnen können wie die Innenstadt einst aussah.

Eine genaue Dokumentation (auf Russisch) der Zerstörung Hrodnas findet man auf www.harodnia.com. Es gibt aber auch eine englische Webseite, um den Protest zu globalisieren. Auch in Deutschland wurde bereits 2006 in einem offenen Brief über das Schicksal Hrodnas informiert.

Wie eine solche Umgestaltung im schlimmsten Fall aussieht, kann man auf den folgenden Bildern aus Chemnitz erahnen.


Theaterplatz 1940


Theaterplatz 1960



Quellen: "Unsere Stadt soll hässlicher werden", In: Sueddeutsche Zeitung Nr. 181, S.13, 08.08.2007; Wikipedia
Bildnachweis: Chemnitz - im Wandel der Zeit

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